Von Kerstin Kellermann (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Moving Cultures)  
Celia Mara sieht keine Barrieren für Transkulturalität in der Musik von Frauen aus verschiedenen Kontinenten. von Kerstin Kellermann
Celia Mara sieht keine Barrieren für Transkulturalität in der Musik von Frauen aus verschiedenen Kontinenten. von Kerstin Kellermann
Vero  La Reine quatscht fröhlich  alle voll, die junge Schlagzeugerin, die  sehr weit hinten auf der  riesigen Bühne sitzt, legt mit einem Samba ab  und es geht gleich fett  los mit fünf lautstarken Bläserinnen. „In dem  21 Frauen Orchester spielt  die Creme de la Creme der österreichischen  Musikerinnen-Szene“, hatte  der Moderator im Anzug eingeleitet. „Hören  Sie das International Femous  Orchestra!“ Vero steht schon ganz vorne  und strahlt. Eine kräftige Frau  im Silberkleid ruft in ein Megaphon:  „Afrika!“ Das Femous Orchestra hat  einen ganz eigenen Sound,  vielstimmig wie ein richtiges, klassisches  Orchester - aber ohne  Dirigentin. Die Damen sind nur ein bissl eng auf  der rechten Seite  aufgestellt, eventuell sind die fünf Blasinstrumente  links etwas laut.  Echt fett, diese Einführung, es klingt ganz eindeutig  nach  transkulturellen Mischformen der Musikerinnen, die aus  verschiedenen  Kontinenten kommen. Die Wiener Bezirksfestwochen starteten  mit einem  Konzert auf dem Michaeler Platz und die ZuschauerInnen-Reihen  reichen  bis hinten zum Cafe Griensteindl. Dicke weiße Männerfiguren aus  Stein  beim Durchgang zur Hofburg, ein Opi futtert bedächtig seine  Jause, zwei  Kinder sitzen brav wie angepickt mit Luftballons in den  Händen in der  ersten Reihe. Die Damen amüsieren sich auf der Bühne.  Sicher super  Aussicht von da oben. 
Zirkusstimmung und Dub Beat 
„Das  wollte ich schon immer mal machen!“, ruft  Tania Saedi und legt los mit  dem Mikro: „To rest my soul in peace…“ Der  Wind weht, drei schwarze  Frauen singen „the horizone…“, ist das Ska?  Jazz?, „make yourself fly“ -  diese Musik ist gänsehautverdächtig, „I  move in harmony“. Der Opi mit  grüner Kappe schleckt seine Finger ab und  riskiert einen Blick auf die  Bühne. Das Konzept mit den verschiedenen  tollen Sängerinnen ist  ausbaufähig. „Das war typischer Dub Beat halt“,  sagt Tania nachher, auf  dem Kopfsteinpflaster vor der Bühne sitzend,  „USA Rhythmen,  elektronische Musik!“ „Wir Musikerinnen sind es alle  gewöhnt zu  improvisieren“, erklärt Andrea Lasic in hellblauem Ballkleid.  Celia  Mara baut und gibt Basis mit ihrer Gitarre, hält sich zurück und   unterstützt. „Ich gebe den Sängerinnen Platz sich zu zeigen, damit jede   ihren Platz findet, sich zu realisieren“, sagt die brasilianische   Profi-Musikerin später im Interview. „Zu Beginn wollten wir   Arbeiterinnenlieder singen und Frauensongs covern und nicht selber   komponieren. Doch es entwickelte sich anders: Jetzt werden Songs, die   wir selber geschrieben haben, auf die Bühne gebracht!“ Zu   Orchester-Beginn am 8. März stand z.B. der „March of the Women“ aus 1911   von Ethel Smyth, der offiziellen Freundin von Virginia Woolf, am   Programm, als Input der Ethnologin Sylvia Jura, einer der   Femous-Mitbegründerinnen. „Inzwischen wird der Platz für Improvisation   aufgemacht“,  sagt Celia. „Jetzt ist das Femous Orchestra so   weit, dass es eine Richtung gibt. Es gibt auch Sängerinnen, die wollen   uns nur als Begleitmusik haben, die haben das Konzept noch nicht   verstanden, dass du nicht der Star bist, die werden nicht bleiben.“ Ein   Orchester ist immer mehr als die einzelnen Musikerinnen, auch wenn die   großteils selbst Bandleaderinnen sind.  Militarismus-Persiflagen und Bikutsi-Rap 
Eine  Frau mit Akkordeon um den Hals macht einen  Clown Koffer auf. Trötet  mit einer kleinen Pfeife, spielt die Flöte mit  einer Hand durch ein  Nasenloch und mit der anderen Hand Ziehharmonika.  Zirkusstimmung kommt  auf! Celia Mara spielt leise mit. Die schrille  Tröte am Schluß klingt  grell in den Ohren nach. Au weh. Die Clownfrau  marschiert in einer  Militär-Persiflage mit Stock ein, eine andere mit  Megaphon hinterher,  tutz tutz kommt lauter Elektrosound von D-Jane Sweet  Susi. Das Militär  mit seinen Männlichkeits-Märschen und seiner Musik  wird der  Lächerlichkeit preisgegeben. Die männlichen Zuschauer halten  sich an  ihrem Bier fest. Was ist das für eine Sprache? Voll unauffällig im Bühnennebel und voll flott steht EsRap plötzlich da, die junge Rapperin türkischer Herkunft in ihrer karierten Hose. Es geht los in verkürztem Englisch. Wann holt die Luft bitte! Die entfesselte EsRap mag die Bühne, mag die Stimmung gegenüber der Kirche, oberhalb der archäologischen Ausgrabungen am Michaelerplatz, es ist das erste Mal, dass ich sie fast melodiös singen höre. Das Publikum jubelt. Kein Gewitter weit und breit, obwohl es angesagt war. Und es geht schon wieder los mit der nächsten Nummer: Vero La Reine singt Bikutsi, die Frauenmusik aus Kamerun. Yeah, yeah, yeah, irgendwie klingt sie heute auch nach Rap, nach afrikanischem Rap, mixture of styles, das muss EsRaps Einfluß sein – absolut tanzbar, aber nicht hier auf diesem weiten Platz, wo die ZuschauerInnen weit weg auf den Stuhlreihen sitzen. Trompetensolo, Celia shakt, brasilianisch is so funky!, ein schwarzer Kleiner filmt von unten her die Bühne mit seinem Handy, ob die Musikerinnen überhaupt drauf sind? Es gibt eindeutig mehr Leben auf der Bühne als bei den ZuhörerInnen, obwohl sich hie und da ein gewisses Lächeln auf die Lippen der Bürgerinnen stiehlt.
Sich ein Gefühl geben 
„Zu  dem Thema Transkulturalität in der Musik muss  ich noch was sagen“,  meint Celia Mara später, „Bei dem afrikanischen  Lied haben wir alle  sechs Achtel Rhythmus gespielt, wir sind ja alle  sehr kompetente  Profis. Ich habe zum ersten Mal afrikanische Gitarre  gespielt (lacht),  man hört das eh die ganze Zeit überall. Musik ist eine  internationale  Sprache, wenn die Musik gut ist, die Melodie gut, sehe  ich keine  Barrieren. Ich kann etwas Schönes, Trauriges singen (singt  etwas vor),  eine schöne Melodie egal in welcher Sprache. Ich konsumiere  nur Musik,  die mich emotional bewegt. Jacques Brel’s „Ne me quitte pas“  oder Janis  Joplin stehen da auf der gleichen Stufe, beide haben so viel  Kraft…,  das ist ursprüngliche Musik, die sich ein Gefühl gibt. Ich mag  keine  Songs, die kein Gefühl zeigen und es gibt irrsinnig viele davon!“   (lacht). Plötzlich fängt die Gitarristin mitten in ihrem Wohnzimmer zu   singen an, „unsympathisch und idyllisch ist das Ideal“, „flexibel,   Sklaven für das Kapital“, höre ich, dann nur einzelne Wörter   „Technokraten“, „homophob“, „ethnozentristisches Alarmsignal“, ich muss   lächeln über die schwierige Wortfolge, „exotischer Sex im Internet“,   „braune Suppe“… „Der Text von EsRap, den ich für sie schrieb, war leider   schwer verständlich, wir haben den Song zu schnell gespielt“,   kommentiert Celia ihre Darbietung. „Einmal habe ich mit Sylvia einen   Song mit lauter lateinischen Wörtern geschrieben, keine Grammatik, nur   Wörter. Diesmal habe ich sogar ein bißchen gejodelt für die Betonung des   Österreichischen, aber das ist noch nicht so heraus gekommen. Wir   schmeißen alle diese Grenzen weg, wir brechen mit allen diesen Regeln,   die die Mackerhaften immer überall geben.“ Tutz Tutz machte EsRap Beatbox auf offener Bühne, „Bei mir? Bei dir!“, rief sie, dann wurde „Platz für Improvisation aufgemacht“, damit die junge Musikerin mit dem Publikum kommunizieren kann.
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Mehr Informationen zum femous orchestra findet ihr auf dem neuen blog:
http://femousorchestra.blogspot.com****
Hier findet ihr noch mehr Artikel über das "femous orchestra":
musicaustria.at/das-femous-orchestra-konzertiert-im-wiener-kosmostheatermusicaustria.at/musicaustria/donaufestival-2011-nodes-roots-and-shoots
donaufestival.at/femous-orchestra language=de
donaufestival.at/festival-en/femous-orchestra
kultureninbewegung.vidc.org/index.php?id=103
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